366 Kindergeschichten: Mai 23

Erzählen-AG: 366 Kindergeschichten

Es war einmal eine Erdbeere, die Violetta genannt wurde. Violetta war noch nicht so alt. Sie war noch etwas grün hinter den Ohren. Doch Ihre Reiselust war schon jetzt groß. Hätten Ihre Eltern Sie nicht festgehalten, Violetta wäre schon früher auf Wanderschaft gegangen.

Nun war Violetta einige Monate alt. Wenn sie jetzt nicht die Welt bereisen würde, wann dann? So lange würde sie nicht mehr leben. Spätestens im Dezember wäre es zu kalt für Violetta. Spätestens im Dezember würde Violetta in den Himmel kommen. Vorausgesetzt Violetta findet keinen passenden Unterschlupf, der sie warm hält.

Violetta verabschiedete sich von Ihren Eltern. Ob sie jemals Ihre Eltern wiedersehen würde, wusste Violetta nicht. Mit Ihren Eltern konnte sie sich nicht aus der Ferne unterhalten. Telefone gab es damals noch nicht.

Violetta bereiste die Welt. Unterwegs traf sie andere Erdbeeren. Teilweise gingen die zwei Erdbeeren ein Stück gemeinsam. Dann trennten sich Ihre Wege. Violetta ging in den Osten. Sie ging dorthin, wo die Sonne immer aufstand. Sie ging dorthin, wo zuerst der Tag begann.

Nach einigen Wochen stolperte Violetta. Sie hatte das Loch in der Erde gar nicht gesehen. Violetta fluchte, "wer buddelt denn hier so ein Loch?" Violetta wusste es nicht. Doch beim zweiten Blick musste sie erkennen, dass es kein Loch war. Es war ein Graben, der sich am rechten Wegesrand befand.

Von dort, wo Violetta stand, verlief der Graben in zwei Richtungen. Violetta suchte sich eine Richtung aus und lief den Graben entlang. Meter für Meter wunderte sich Violetta mehr. "Wer buddelte hier nur so einen langen Graben? Und wozu?"

Violetta erfuhr es zunächst nicht. Sie lief in die falsche Richtung. Irgendwann hörte der Graben auf. Kein Tier war zu sehen. Nun ging Violetta in die andere Richtung. Vielleicht würde sie dort erfahren, wer hier einen Graben buddelt und warum.

Violetta brauchte für die andere Richtung doppelt so lang. Dort, wo Violetta stolperte, war die Mitte. Violetta musste erst einmal zur Mitte zurück. Dann lief sie noch ein Stückchen weiter.

Diesmal hatte Violetta Glück. Sie traf jemanden, der Ihr alles erklären konnte. Violetta sah einige Ameisen und eine Spinne. Violetta fragte eine der Ameisen, was hier getan wurde. Die Ameise erklärte es Violetta.

Es wurden Telefonleitungen verlegt. Nachts würde ein Maulwurf die Gräben ausheben. Am Tage würde die Spinne die Telefonleitungen produzieren und die Ameisen würden diese in den Graben legen. In der nächsten Nacht würde der Maulwurf die Gräben zuschütten und neue ausheben. Dann würde es am nächsten Tag wieder von Vorne losgehen.

Violetta kannte noch keine Telefonleitungen. Sie wusste auch nicht, was Telefone sind. Die Ameise war wieder so hilfsbereit und erklärte es.

Die Tiere auf dieser Wiese waren es leid, immer laufen zu müssen, wenn sie sich unterhalten wollten. Oft kam es vor, dass sich die Gesprächspartner verpassten. Dagegen musste etwas getan werden. Dagegen wurde etwas getan.

Ein schlaues Insekt entwickelte das Telefon. Die gesprochene Sprache wurde in Signale umgewandelt und über eine Leitung zu einem anderen Telefon transportiert. Dort wurde das Signal wieder zurück in Sprache umgewandelt. Nun konnten sich zwei Ameisen unterhalten, obwohl Sie nicht nebeneinander standen. Das war ein enormer Fortschritt und sparte viel Zeit.

Violetta verstand. Schade, dass es Telefonleitungen noch nicht überall gab. Sie hätte jetzt gerne mit Ihren Eltern gesprochen. Violetta hatte etwas Heimweh. Doch zurück war ein langer Weg. War der Weg zu lang?

Diese Geschichte ist auch als Buch und eBook verfügbar.