366 Geschichten: März 08

366 Geschichten

Es war vor vielen Jahren. Ich war in der neunten Klasse. In Deutsch mussten wir unser erstes Referat halten. Zehn Minuten sollte es lang sein. Über welches Thema wir sprachen, war uns überlassen. Wir konnten über Hinz und Kunz reden. Wir konnten über unser Lieblingsauto reden. Nur eines war nicht erlaubt: Wir durften den Computer nicht nutzen. Wir sollten den Vortrag analog halten.

Bilder waren also erlaubt. Wir mussten diese ausdrucken und an die Tafel heften. Sie am Computer zu zeigen, war nicht erlaubt. Und auch nicht möglich. Im Deutschraum gab es keinen Beamer und nur wegen diesem Referat in den Computerraum umzuziehen, wollte unser Deutschlehrer nicht.

Jeder Schüler wählte sein Thema. Er oder Sie musste das Thema unserem Deutschlehrer nennen. Unser Deutschlehrer wollte nur sicher gehen, dass ein Thema nicht doppelt vorkam. Teamarbeit war nicht erlaubt. Auch keine versteckte.

Ich hatte damals ein Fable für Frankreich. Es war also klar, dass ich darüber ein Referat halten wollte. Ich stellte Frankreich ausführlich vor. Ich nannte die Hauptstadt Paris. Ich stellte einige Sehenswürdigkeiten des Landes vor. Zu den größten davon gab ich noch weitere Informationen. Unter anderem nannte ich den Ort, wo sie zu finden waren.

Eine kleine besondere Randnotiz gab ich zum Eiffelturm. Es war ein beliebtes Fotoobjekt. Ich zeigte vom Eiffelturm auch ein Bild. Es wurde beim Tag aufgenommen. Ich fragte die Klasse, warum ich ihn nicht bei Nacht zeigte. Die Klasse wusste es nicht. Ich klärte sie auf. Der Eiffelturm war bei Nacht urheberrechtlich geschützt. Dabei war es nicht der Eiffelturm an sich, er durfte fotografiert werden, aber nicht die Lichtinstallation. Diese war in der Nacht zu sehen. Private Fotos waren erlaubt, eine Veröffentlichung war aber nicht gestattet. Wer es doch tat, musste mit einer Strafe rechnen.

Natürlich konzentrierte ich mich nicht nur auf die Sehenswürdigkeiten von Frankreich. Auch die politische Ordnung stellte ich vor. Wer das Land führte, wie die einzelnen Departments verteilt waren. Ich ging natürlich auch auf das Wetter und das Klima ein. Ich nannte den größten Berg und zeigte von ihm auch ein Bild.

Ich nannte auch die angrenzenden Länder und Meere. Ich ging ein bisschen auf die Kultur ein. Allzu viel konnte ich nicht sagen. Nicht alles fand Platz in einem Referat, welches eine Länge von zehn Minuten aufweisen sollte.

Ich probte zu Hause meinen Vortrag. Ich kam auf neun bis elf Minuten. Das war in Ordnung. Zu mindestens zu Hause. Im Unterricht kam es dann anders. Ich brauchte keine elf Minuten. Ich brauchte auch keine neun Minuten. Ich war nach sieben Minuten fertig. Dies war viel zu kurz.

Unser Deutschlehrer dachte, ich müsste ziemlich viel sagen, weil ich ziemlich schnell sprach. Als ich aber nach sieben Minuten fertig war, merkte er, dass es nicht so sein konnte. Dies hätte mich fast eine gute Note gekostet. Ich sprach zu schnell, weil ich aufgeregt war. Weil ich zu schnell sprach, war ich zu früh fertig.

Es war nur ein kleiner Fehler, der Folgefehler verursachte. Deswegen sollte ich keine Zwei bekommen. Eine glatte Eins war es aber auch nicht. Ich bekam für meinen Vortrag eine Eins minus. Damit konnte ich leben. Vielleicht bin ich beim nächsten Mal besser. Mehr als Hoffen und meine Aufregung verstecken kann ich nicht, oder?

Diese Geschichte ist auch als Buch und eBook verfügbar.