Eliane und der rote Schal I

Schneemann 1

Eliane hatte es nicht leicht. Als Ihre Eltern starben, musste sie im Alter von fünf Jahren ins Waisenhaus. Dort verbrachte sie nun die letzten drei Weihnachten. Dieses Jahr sollte sie auch Weihnachten feiern, doch es kam anders als sie dachte.

Es war der neunzehnte Dezember, als die Kinder im Waisenhaus Schulschluss hatten und draußen noch etwas tobten. Einige Kinder machten eine kleine Schneeballschlacht, während andere einen Schneemann bauten. Eliane war auch dabei. Zusammen mit anderen Kindern rollte sie eine Schneekugel nach der anderen, auf dass der Schneemann seinen Körper erhielt. Zuerst gab es eine große Schneekugel für den Unterkörper, eine kleinere für den Oberkörper und die kleinste kam oben drauf, und sollte den Kopf des Weihnachtsmann darstellen.

Eliane kümmerte sich höchstpersönlich um die Bekleidung des Schneemannes. Er sollte doch nicht frieren, wenn er die ganze Nacht alleine draußen steht. So gab sie ihm ihren roten Schal, den sie noch von Ihren Eltern bekam, als diese lebten. In der Nacht braucht sie den Schal ja nicht und am nächsten Morgen, wenn sie wieder hinausgeht, würde sie ihn sich wiederholen. Dachte sie sich, als sie ins Haus ging.

Einige wenige Stunden später, als es Abendbrot geben sollte, schaute Eliane noch einmal nach dem Schneemann und seinem Schal. Genau in diesem Moment musste sie mit ansehen, wie jemand den roten Schal nahm. Eliane rannte sofort zu ihrer Jacke und wollte dem Dieb nachrennen. Einige Meter konnte sie dem Dieb folgen, doch dann verschwand er aus Ihren Augen. Eliane konnte ihn nicht mehr sehen. Sie suchte zwar die Gegend noch etwas ab, doch nach einer halben Stunde gab sie auf.

Mit Erschrecken musste sie jetzt auch noch feststellen, dass sie sich verlaufen hatte. Sie war mittlerweile irgendwo im Wald und konnte nicht mehr sehen, woher sie kam. Der Schnee, der vor zwanzig Minuten einsetzte, verwischte jegliche Spuren zurück zum Waisenhaus. Was sollte Eliane jetzt nun tun?

Sie entschied sich eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Irgendwann würde sie schon wieder einen Weg finden, der sie in die nächste Stadt bringt. So ging sie weiter und weiter. Als sie mittlerweile eine Stunde lang nur geradeaus ging, erkannte sie ein Licht einige Meter vor Ihr. Eliane lief dort hin, denn wo Licht ist, kann ein Mensch nicht weit sein. Und so war es auch.

Das Licht stellte sich als ein Feuer heraus, an dem ein Junge zitternd saß. Mit nur einem Shirt bekleidet, versuchte er sich am Feuer zu wärmen. Als er Eliane bemerkte, rief er „Wer ist da?“ Eliane nannte ihren Namen, kurz bevor sie im Licht des Feuers stand. Jetzt konnte auch der Junge ihr Gesicht sehen. Da Eliane auch nach seinem Namen fragte, wusste sie von da an, dass der Junge Toni hieß. Sie fragte ihn auch, ob ihm kalt wäre, da er so zittern würde und an einem Feuer säße.

Toni bejahte. Man hätte ihm heute Nachmittag die Jacke gestohlen und er wäre dem Dieb nachgelaufen. Leider hätte er sich dabei verlaufen und würde hier im Wald festsitzen, da er nicht weiß, wohin er zurück gehen solle. Glücklicherweise habe er aber noch ein Streichholz gehabt und er habe sich noch etwas Holz gesucht. Dies hätte er angezündet, um sich in der Dunkelheit zu erwärmen.

Da Eliane noch einen dicken Pullover unter Ihrer Jacke trug, gab sie Toni ihre Jacke. Anfangs wollte er sie nicht annehmen, doch Eliane forderte in immer wieder auf „Nun nimm schon! Ich hab doch noch einen dicken Pullover an!“ Bei der dritten Aufforderung nahm Toni die Jacke und zog sie an. Sogleich wurde ihm warm.

Toni lud Eliane ein, am Feuer sich zu wärmen, bis der Tag wieder anbrechen würde. Sie nahm das Angebot vorerst an. Als Sie Toni aber fragte, ob er jemanden mit einem roten Schal sah, und Toni sogar die Richtung nennen konnte, wollte sie hinterher. Sie bot nun Toni an, ihr zu folgen, doch er verneinte. Er könne jetzt kaum noch gehen, er hätte es ja nicht einmal geschafft dem Jungen mit dem roten Schal hinterherzulaufen. Nein, er würde hier am Lagerfeuer bleiben und am nächsten Morgen versuchen, nach Hause zu finden oder wenigstens die nächste Stadt zu erreichen.

So ging Eliane allein und ohne ihre Winterjacke dem Jungen mit dem roten Schal nach. Schließlich wollte sie diesen wiederhaben. Er war ihr doch so ans Herz gewachsen. Eliane lief und lief. Da das Schneetreiben weniger wurde, konnte sie sogar einige Fußabdrücke vor ihr erkennen. Sollten das Abdrücke von dem Dieb sein?

Diese Geschichte ist auch als Buch und eBook verfügbar.