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Aron 18: Der Traum
Hallo Nora, 28. August
Hab ich Dir eigentlich schon mal geschrieben, wie meine Nächte fast immer laufen? Nein? Eigentlich ja immer gleich. Abends gehe ich ins Bett und am nächsten Morgen stehe ich wieder auf. Dazwischen schlafe ich und oft träume ich. Ich mein, ich werde wahrscheinlich immer träumen. Ich kann mich nur nicht immer an meine Träume erinnern.
Ich fasse einfach mal die Träume von Franziska zusammen. Einige Träume begannen am Sonntag. Ich würde am Morgen nicht mehr alleine sein. Sie würde neben mir schlafen. Schlafen, wenn ich schon wach werde. Wenn ich in Ihre smaragdgrünen Augen sehe, wie sie sich bewegt, wie sich Ihre erdbeerroten Lippen bewegen. Wenn Franziska langsam die Augen aufschlägt, bin ich der Erste, den Sie sieht. Aber nicht nur das. Ich hätte das Frühstück schon ans Bett gebracht. Was gibt es Schöneres, als am Sonntagmorgen mit seiner Liebsten im Bett zu frühstücken? Nichts. Ich wäre dann auch der Erste, der Ihr einen wunderschönen Morgen wünscht. Und ich würde wissen, der Tag könnte nicht schöner beginnen und würde auch nicht schöner aufhören können. Der Tag mit Ihr war perfekt. Für mich zu mindestens. Ich mein, was sollte es auch mich interessieren, wenn für Andere dies nicht der perfekte Tag wäre. Ich weiß, für mich wäre der Tag perfekt, wenn ich immer in Ihre Nähe sein könnte. Egal was wir machen. Ob zu Hause bleiben, ins Theater, ins Kino, in den Club. Hauptsache mit Ihr zusammen. Dann wäre ich glücklich.
Was es zum Frühstück gab? Ofenfrische Brötchen. Es gab ja gleich um die Ecke einen kleinen Bäcker. Der hatte auch sonntags geöffnet. Von acht Uhr dreißig bis zwölf Uhr. Dreieinhalb Stunden sollten reichen. Wer frühstückt schon später? Ab zwölf Uhr beginnt die Mittagszeit. Und vorher? Wer steht denn schon vor halb Acht auf? Ich nicht. Ich stehe sogar erst um neun Uhr auf. Auch Franziska würde in meinem Traum gegen neun Uhr aufwachen. Da ich aber das Frühstück vorbereiten muss, stand ich früher auf. Gegen dreiviertel Neun ging ich zum Bäcker. Zu Hause angekommen, nahm ich ein Tablett und legte schon mal zwei Teller und Messer darauf. Butter und Marmelade standen im Kühlschrank griffbereit. So ging ich zurück zu Franziska. Ich legte mich noch neben Ihr. Als Sie wenige Minuten später Ihre wundervollen Augen öffnete, wünschte ich Ihr einen wunderschönen Morgen. Ich fragte Sie, ob Sie Hunger hätte. Sie bejahte es und so ging ich in die Küche. Dort nahm ich die Butter und die Marmelade, stellte sie auf das Tablett und ging damit wieder zurück zu Franziska. Dort genossen Wir das Frühstück am Bett. Als Wir fertig waren, brachte ich das Tablett zurück in die Küche. Abwaschen war erst später dran. Eigentlich wollte ich ihn alleine machen, doch Franziska wollte helfen. In einer Partnerschaft teilt man alles. Das Bett, die Wohnung, das Essen und den Abwasch. Gut die Wohnung nicht ganz. In all meinen Träumen waren Wir entweder bei Ihr oder bei mir zu Haus.
Woher ich das weiß? Nachdem Frühstück machten Wir Beide einen kleinen Spaziergang. Wir liefen zwar nicht weit, doch trotzdem dauerte der Spaziergang einige Zeit. Wir liefen Hand in Hand und küssten Uns alle drei Meter. Jeder Außenstehende hätte gesehen, dass Wir ein glückliches Paar waren. Ein sehr glückliches.
Aber zurück zum Thema. Nachdem Spaziergang gingen Wir wieder zurück. Entweder ich sah meine Eltern oder Ihre Eltern. Ich mein, ich glaubte Ihre Eltern zu sehen. Ihr Vater war auf jeden Fall dabei. Den kannte ich ja auch. Er war an Unserer Schule Deutsch- und Geschichtslehrer. Nein, mein Deutschlehrer war er nicht. Mein Geschichtslehrer auch nicht. Ich mein, nicht mehr. Letztes Jahr war er es. Er hat dieses Jahr ja zwei Kurse der elften Klasse übernommen. Franziskas Vater kenne ich also. Ihre Mutter nicht. Ich weiß nicht mal, ob Franziska einen Bruder oder eine Schwester hat. Aber egal. Ich werde mich mit Ihnen schon verstehen. Jedenfalls da ich Ihre Eltern in einer fremden Wohnung sah, kann ich davon ausgehen, dass es bei Ihr zu Hause ist. Ich weiß es aber nicht. Ich mein, wie sollte ich es auch wissen? Ich war noch nie bei Ihr. Am letzten Mittwoch vor den Sommerferien war ich ja nur bis vor Ihre Haustür gekommen.
Na gut, ich will ein bisschen mehr vom Traum erzählen. Lassen Wir die Sache, wo Wir beide übernachteten mal außen vor. Nachdem Wir zurück waren, haben Wir selten etwas gemacht. Da es gegen halb Eins Mittag gab, halfen Wir Beide ab und zu bei der Zubereitung. Nachdem Essen gingen Wir dann öfters hinaus, einen weiteren Spaziergang machen. Manchmal blieben Wir aber auch faul zu Hause. Lagen auf dem Bett und hörten Uns Musik an. Glücklich lag Sie in meine Armen und der Abend näherte sich.
Wenn ich mal nicht von einem Wochenende träumte, so war es ein Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag. In der Zeit gab es kein Frühstück am Bett. Wir machten auch keinen Spaziergang nach dem Frühstück. Ich mein, keinen wirklichen. Wir gingen ja nur zur Schule. Wenn Ihr Schultag früher begann, ging ich mit, wenn mein Schultag früher begann, kam Sie mit. Wir wollten so viel Zeit miteinander verbringen, wie möglich. In meinem Traum hatten die Lehrer nichts dagegen. Nur stören sollte ich oder Sie nicht. Das taten Wir nicht. Keiner von Uns.
Wenn die Schule aus war, gingen Wir meist zu Ihr. Es waren ja nur knapp fünf Minuten. Manchmal fuhr ich danach gleich wieder nach Hause. Meine Eltern wollten mich ja auch ab und an mal sehen. Doch meist fuhr ich abends wieder zu Ihr. Doch nicht mit leeren Händen. Ich bastelte immer wieder etwas. Zum Beispiel ein kleines rotes Herz. Auf dem stand dann „Ich liebe Dich“. Oder ich kaufte Schokolade und verpackte Sie ganz lieb. Selbst wenn ich nicht zu meinen Eltern fuhr und die ganze Zeit bei Ihr war, bekam Sie ein Geschenk von mir. Manchmal sprach ich, dass ich kurz in den Keller müsste. An meine Begründung kann ich mich nicht mehr erinnern, aber der Keller war nicht mein Ziel. Wenige Meter entfernt gab es einen Blumenladen. Ich kaufte oft ein paar Rosen nur für Sie. Wie viele? Oft fünfzehn. Warum? Sie hatte am dritten November Geburtstag. Drei plus elf macht vierzehn. Man kauft aber keine gerade Anzahl von Rosen. Also addierte ich noch die Nummer Eins dazu. So kam ich auf fünfzehn. Dann ging es schnell zurück zu Ihr. So lange konnte ich ja nicht im Keller sein, könnte Sie sich denken. Sie kam schon öfters nachsehen. Ich schenkte Ihr ja nicht zum ersten Mal Rosen. Meine Träume schienen also voneinander zu lernen. Anfangs brauchte ich länger beim Blumenladen, später deutlich weniger Zeit. Zwischenzeitlich war ich sogar doch im Keller und es gab keine Rosen. So wusste Franziska in meinen Träume nicht immer, gehe ich jetzt wirklich in den Keller oder in den Blumenladen.
Sie wusste es nicht. Sie konnte es nur erahnen. Manchmal nutzte ich es auch aus. Ich ging in den Keller und ließ mir absichtlich Zeit. So kam Sie nachgucken, wo ich war. Als Sie in den Keller kam übergab ich Ihr eine selbstgebastelte Karte. „Ich liebe Dich“ stand darauf und darin lag ein Kinogutschein. In meinen Träumen gingen Wir oft aus. Entweder ins Kino oder tanzen. Manchmal auch ins Schwimmbad. Zeit dafür hatten Wir. Ich mein, natürlich nicht viel. Die Hausaufgaben mussten ja auch gemacht werden. Aber dies taten Wir oft gemeinsam. So ging es auch schneller.
Ich träumte sogar von der Zukunft mit Ihr. Wir würden heiraten und drei Kinder bekommen. Ach ja, wie schön wäre dies. Aber es war ja alles nur ein Traum. Leider. Na ja. Vielleicht klappt es ja doch irgendwann noch einmal mit Uns Beiden. Ich weiß es aber nicht. Ich weiß nur eines. Es ist ein Traum, den ich Dir geschildert habe. Vielleicht träume ich ja heute wieder von Ihr. Ich mein, ich träume und erinnere mich auch daran. Aber um zu träumen, muss ich erstmal schlafen. Und da es jetzt schon spät ist, mache ich auch Schluss. Ich werde Dir ja nächste Woche wieder schreiben. Also bis nächste Woche, Nora.