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Lemontree
Es ist Sonntag und ich sitze mal wieder in meinem Zimmer. In meinem langweiligen Zimmer. Langweilig deswegen, weil ich weder einen Computer habe zum spielen, noch eine Spielekonsole. Einzig ein Radio steht in meinem Zimmer, dessen Wände raufaserweiß sind. Langweilig weiß, wobei das Weiß eigentlich ein helles Grau ist. Im Radio erklingen die besten One-Hit-Wonders. Schon seit zwei Stunden geht die Sendung, und sie wird erst in einer Stunde enden. So lautet zu mindestens der Plan des Radiosenders.
Nun sitze ich hier am Fenster und schaue auf die Welt vor meinem Fenster. Es regnet. Mal wieder. Das Wetter passt gut zu meinem Zimmer, das ja auch gräulich ist. Gut, so dunkelgrau wie der Himmel ist, sind die Wände in meinem Zimmer nicht. Aus meinen Wänden kann auch kein Wasser kommen. Schließlich ist eine Wasserleitung nur in der Küche und im Bad. Während das Bad in der anderen Ecke der Wohnung liegt, ist die Küche gleich nebenan. Doch die Spüle ist auf der anderen Seite der Küchenwand und grenzt an die Badezimmerwand. So kann kein Wasser aus eine meiner vier Wände kommen. Auch die Decke und der Fußboden sollte kein Wasser hergeben. Anders als draußen.
Dort ist es grau, nass und wahrscheinlich auch kalt. Ich habe eigentlich keine Lust etwas zu tun, und doch tue ich etwas. Ich sehe aus dem Fenster und warte eigentlich auf Dich. Nur auf Dich. Auf Dich Sommer warte ich. Auf dass ich hinausfahren kann zu dem Zitronenbaum in unserem Garten. Dann trägt er bestimmt wieder Früchte, die ich zu leckerer Limonade pressen kann. Doch der Sommer ist noch lange hin.
So fahr ich mit meinen Eltern bis dahin durch die Gegend, auf der Suche nach Essen, Schuhen und neuen Möbeln. Essen, dass wir verputzen, solange der Sommer noch nicht da ist. Schuhe, die wir anziehen müssen, solange es weiterhin regnet und so kalt ist. Möbel, die für den Garten gedacht sind, aber noch in die Gartenlaube kommen, da wir draußen noch keine Gartenmöbel hinstellen können. Aus reiner Langeweile fahre ich bei diesen Besorgungen mit und warte doch nur auf Dich. Ich hoffe, dass Du Dir nicht mehr so lange Zeit lässt und endlich wieder in unser Land einfällst. Auf dass der Zitronenbaum sonnengelb leuchtet und ich seine Früchte mit meinen Eltern ernten kann. Dann gibt es endlich wieder leckere Zitronenlimonade. Zitronenlimonade, die ich mit anderen teilen könnte. Anderen, die an unser Haus vorbeigehen und vielleicht einen Schluck trinken möchten. Oder unsere Nachbarn, die genauso in unserem Mietshaus wohnen. Sie kaufen mir bestimmt einige Gläser Zitronenlimonade ab. Da bin ich mir sicher.
Doch der Sommer braucht noch seine Zeit. Vorher muss erst einmal der Frühling kommen und gehen. Der Frühling, der kurz bevor steht. Selbst die Zugvögel sind schon da und erwarten, dass der Frühling beginnt. Und wenn der Frühling begonnen hat, seine Amtszeit hinter sich hat, ist endlich Sommer. Dann brauche ich nicht mehr hier wartend am Fenster sitzen. Wartend auf das Verschwinden der Wolken, des Regens, des Erscheinens der Sonne und des Sommers. Dann muss ich nicht mehr mit meinen Eltern mitfahren. Dann kann ich endlich in unseren Garten fahren, um den Zitronenbaum zu besuchen. Dann ist mir nicht mehr langweilig, denn dann ernte ich die Früchte, die irgendjemand einmal gesät hat. Irgendjemand, der den Garten vor uns hatte. Irgendjemand, der wusste, dass ich Zitronenlimonade mag und sie am liebsten jeden Tag trinke. Vorzugsweise frisch zubereitet und deswegen hauptsächlich im Spätsommer.