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Schlagercharts 2024 Januar
Atemlos durch die Nacht muss ich nicht rennen. Das funktioniert aktuell auch nicht. Im jetzigen Moment herrscht der Tag. Es ist hell. Das liegt nicht nur an der Sonne. Heute ist nicht nur ein sonniger Tag. Heute ist ein Wintertag mit viel Schnee.
„Du“ fragt mich meine Tochter. „Können wir rausgehen und einen Schneemann bauen? Heute ist so herrliches Wetter“. Herrliches Wetter herrscht draußen nicht wirklich. Klar, es ist sonnig. Die Wolken, die in den letzten Tagen den Schnee brachten, sind verschwunden. Es ist aber ziemlich kalt. Kälte mag ich nicht. Trotzdem gehe ich mit meiner Tochter raus und baue einen Schneemann.
An diesen Tagen, wo ich Zeit mit meiner Tochter verbringen kann, bin ich glücklich. Ich vergesse den ganzen Alltag. Stundenlang arbeiten und danach einkaufen - das muss ich nicht jeden Tag haben.
Das tut sich doch keiner freiwillig an. Wer geht schon freiwillig einkaufen? Zuerst fährt oder läuft der Mensch in den Supermarkt. Er besorgt sich einen Einkaufswagen. Er betritt den Supermarkt. Er arbeitet die Einkaufsliste ab. Am Ende steht der Mensch in der Schlange und wartet darauf, den Einkauf aufs Band zu legen und anschließend zu bezahlen.
„Die weißen Tauben sind seit gestern müde, oder Papa?“ So reist mich meine Tochter aus meinen Gedanken. „Die weißen Tauben“ frage ich „Ich sehe keine weißen Tauben.“ „Och Papa, Du weißt genau, dass ich den Schnee mit den weißen Tauben meine. Immer wenn es schneit, sage ich doch, dass die weißen Tauben kommen.“ Stimmt, das habe ich vergessen. Woran das wohl liegt?
Ouzo? Nein, ich habe gestern und auch heute Morgen nichts getrunken. Nichts alkoholisches. Zu wenig Schlaf hatte ich auch nicht. Ich hatte wohl nur einen kleinen Blackout am helllichten Tag. Das kann ja mal passieren, oder?
„Es ist Zeit für Spiele“ reist mich meine Tochter zum zweiten Mal aus meinen Gedanken. „Spiele? Was möchtest du denn spielen? Möchten wir nicht erst einmal den Schneemann bauen“ frage ich. Sie bejaht es. Wir spielen nicht. Wir bauen den ersten Schneemann, der am Ende einen blauen Schal meiner Tochter bekommt.
„Jemand träumt von Dir und das bin ich, ich, ich“ singt meine Tochter als der Schneemann seinen Schal bekommt. „Du hast von dem Schneemann geträumt?“ frage ich meine Tochter. „Welches Kind träumt im Winter nicht von einem Schneemann? Mittlerweile sind die Wintertage doch so selten geworden, wo Schnee liegt - wo viel Schnee liegt!“ Da hatte meine Tochter Recht. Kalte Wintertage sind selten. Schneetage sind noch seltener geworden.
„Sag wann können wir wieder reingehen“ frage ich meine Tochter. Draußen ist es kälter als gedacht. Ich friere zu mindestens. Meine Tochter stört die Kälte nicht. Sie möchte noch einen Schneemann bauen.
„Rosa oder blau? Welche Farbe soll der Schal des zweiten Schneemanns haben“ fragt mich meine Tochter nachdem der zweite Schneemann endlich steht. Im Prinzip ist es mir egal. Ich möchte nur wieder ins warme Haus. Da meine Tochter die Farbe Rosa mag, sage ich „Rosa, der zweite Schneemann ist kein Schneemann, sondern eine Schneefrau. Und nun lass uns wieder hineingehen.“ Meine Tochter fragt warum. Ich überlege mir eine Ausrede. Dabei schaue ich auf die Uhr.
„Es ist Zeit für Abenteuer Lagerfeuer. Unsere Lieblingssendung beginnt in wenigen Minuten.“ Ich kann gar nicht so schnell meiner Tochter hinterhergucken, wie sie im Haus verschwindet. Ich folge ihr ins Haus. Während meine Tochter ins Wohnzimmer läuft, gehe ich noch kurz in die Küche, wo meine Frau Radio hört und tanzt.
„Warum tanzt du so allein“ frage ich. Die Antwort meiner Frau kommt prompt. „Weil ich alleine in der Küche war. Du hast mit unserer Tochter einen Schneemann gebaut.“ Ich korrigiere meine Frau: „Unsere Tochter und ich haben einen Schneemann und eine Schneefrau gebaut!“
„Mit Dir vielleicht hätten wir auch eine komplette Schneefamilie drausgemacht“ fahre ich fort. „Ach Schatz“ erwidert meine Frau. „Ich wollte die seltenen Tochter-Vater-Momente nicht stören. Du musst in der Woche so viel arbeiten. Früh am Morgen fährst du los. Spät abends kommst Du nach Hause. Ihr seht euch unter der Woche zu kurz und zu selten.“ Ich möchte darauf antworten, doch meine Frau unterbricht mich.
Sie sagt: „Verlieb dich nicht ohne mich. Das ist doch unser Song!“ Meine Frau hat Recht. Es ist klar, dass meine Frau wieder tanzt. „Tanzt Du mit“ fragt sie.
„Wer außer Dir würde so eine Frage stellen! Es ist doch unser Song. Natürlich tanze ich mit“ erwidere ich.
Alles funkelt! Alles glitzert! Wir schwelgen in den wundervollen Erinnerungen unserer Anfangszeit als wir uns bei diesem Song kennengelernt haben. Auf unserer Hochzeit lief der Song natürlich auch. Das waren wunderschöne Momente in unserem bisherigen Leben.
Hemmungslos tanzen wir zu dem Song. Wir vergessen alles um uns herum - zu mindestens bis der Song endet.
Der nächste Song im Radio trägt den Titel „Falsch dich zu lieben“. Dazu müssen wir nicht tanzen. Es war und ist nicht falsch meine Frau zu lieben. Meine Frau fand und findet es noch heute nicht falsch, mich zu lieben. Wir waren ein Traumpaar, sind es immer noch und werden es immer bleiben.
Dürfen wir das? Klar. Das kann uns keiner verbieten. Niemand.
Verliebt sein, das werden wir auch noch in hundert Jahren. Unsere Seelen werden auf ewig verbunden sein. Ganz sicher!